Zwei Schwestern mischen die Winzer-Szene auf
Zwei Schwestern, ein Ziel: Karoline und Dorothee Gaul haben vor knapp zehn Jahren das Familienweingut in der Pfalz übernommen und neu ausgerichtet. Das deutsche Winzer-Duo fällt mit exzellenten Weinen und spektakulären Aktionen auf.
Eine Anekdote zum Anfang: Ein Kunde besucht das Pfälzer Weingut Gaul. Karoline Gaul empfängt ihn freundlich. Der Weininteressierte fragt nach dem Chef. «Dieser steht schon lange vor Ihnen», sagt die junge Dame selbstbewusst. Auch im Jahr 2020 haben sich Winzerinnen in gewissen Kreisen immer noch nicht jenen Respekt verschafft, der ihnen zustehen würde. Dabei haben Karoline Gaul und ihre Schwester Dorothee schon viel erreicht. Das Duo wurde vor knapp zehn Jahren faktisch ins kalte Wasser geworfen, indem es von einem Tag auf den anderen den Familienbetrieb übernehmen musste, nachdem der Vater der beiden überraschend gestorben war.
Was die Gaul-Schwestern leisten, verdient Beachtung. So wurde der Stil der Weine verändert – weg von zu viel Frucht und Opulenz, hin zu mehr Eleganz, Tiefgründigkeit und Mineralik. «Wir wollen künftig weiter an der Stilistik feilen und im Weingarten und Keller noch akribischer arbeiten», erklären die Winzerinnen unisono. Das Terroir unterstützt diese Bemühungen, denn die im Nordosten der Pfalz gelegenen Rebstöcke wachsen auf sehr steinigen Böden mit einer Kalkunterlage. Rund 20 Hektar bewirtschaften die 36-jährige Karoline und die 34-jährige Dorothee, die auf ausländischen Weingütern im Südtirol, in Österreich und Neuseeland wertvolle Erfahrungen sammeln konnten.
Preisgekrönte Weine
Zwei Drittel der Weinreben entfallen auf weisse Sorten wie Riesling und Weissburgunder. Der Rest ist rot. Die grösste Aufmerksamkeit lässt man dem Spätburgunder (Pinot Noir) angedeihen. Das Gaul-Sortiment ist klar strukturiert, von den Guts- und Ortsweinen über die Lagen-Crus bis hin zu den als «Zugpferd» bezeichneten Spitzengewächsen. Der hierzulande nicht erhältliche St. Laurent Honigsack 2018 gewann beim Deutschen Rotweinpreis der Zeitschrift «Vinum» in der Kategorie «Deutsche Klassiker» den ersten Preis. Völlig zu Recht im Übrigen, denn die rote Spezialität brilliert mit Kraft, Eleganz, schöner Struktur und Länge. Der Spätburgunder Zugpferd 2017 wiederum wurde bei den Pinots Noirs Dritter.
Die «Gaul-Sisters», wie sie in der Pfalz genannt werden, fallen nicht nur mit ihren exzellenten Weinen auf, sondern auch mit spektakulären Aktionen. So wurde 2015 ein neuer Verkostungsraum eröffnet. Der orangefarbene Stahlkubus sieht aus, als wäre er vom Himmel gefallen und mitten im Grünen gelandet. Der Bau habe reichlich Diskussionen entfacht, stellte die Fachzeitschrift «Der Feinschmecker» einst fest. Wer heute im hart umkämpften Umfeld bestehen will, muss sich ins richtige Licht rücken. Das nützt indessen nur dann etwas, wenn nicht nur die äussere Hülle stimmt, sondern auch die produzierten Weine. Die jungen Mütter Karoline und Dorothee Gaul liefern die erhoffte Qualität, wie zwei ausgewählte Beispiele aus ihrem Sortiment beweisen:
Ein finessenreicher Spätburgunder
Der spontan vergorene Rotwein überzeugt mit einer eher kühlen Aromatik von roten Beeren und würzigen Kräuternoten. An diesem Pinot Noir ist nichts schwer, sondern er präsentiert sich tänzerisch, finessenreich, straff, tiefgründig und langanhaltend, schon fast burgundisch. Der Cru wird während 18 Monaten in Barriques aus französischer Eiche ausgebaut.
Spätburgunder Sausenheimer Honigsack Zugpferd 2017, Weingut Gaul, CHF 32.00 (erhältlich über SeinundWein).
Ein würziger Riesling
Der trockene Lagenwein ist die Spitze im weissen Bereich. Zu gefallen wissen das schöne Bouquet von Zitrus- und gelben Früchten sowie die leicht würzigen Anklänge. Im Gaumen ist er elegant, mittelschwer, saftig und endet mit einem schönen Nachhall. Ideal zu Fischgerichten. Preislich attraktiv.
Riesling Sausenheimer Hütt Zugpferd 2019, Weingut Gaul, CHF 29.50 (erhältlich über SeinundWein).